Zeitnot / Zeitnotphase

Ein Beitrag von Schachfreund Peter Bieker - nicht nur für Mannschaftsführer:

Fast jeder Schachspieler kennt sie, viele fürchten sie. Niemand ist vor ihr gefeit, Großmeister ereilt sie ebenso wie den Amateur. Den einen ab und zu, den anderen regelmäßig. Es haben sich schon ganze Dramen abgespielt, gewonnene Spiele wurden verloren, Figureneinsteller und Patzer aller Art begleiten sie.

Die Rede ist von einer Phase im Schachspiel die Zeitnot genannt wird.

Übrigens der Begriff Zeitnot wurde in der Schachwelt als so prägnant angesehen, dass dieses Wort sogar in die russische Schachsprache übernommen wurde.

Auch wenn fast jeder Schachspieler von ihr gehört hat, so gehen die Meinungen, was die Zeitnotphase ist und wie man sich in ihr regelkonform verhält, weit auseinander.

Inspiriert durch ein entsprechendes Vorkommnis am Nachbarbrett will ich versuchen, hier ein paar grundsätzliche Verhaltensweise an die Hand zugeben, damit in der nächsten Saison die sowieso schon angespannte Situation nicht noch durch unüberlegtes oder sogar falsches Vorgehen eskaliert und zu unnötigem Ärger führt.

Beginnen wir mit der Definition, was eigentlich Zeitnot ist und wann die Zeitnotphase beginnt.

Treffen wir die Annahme, dass wir eine Zeitregelung haben, die besagt 40 Züge in 2 Stunden, 30 Minuten für den Rest der Partie. Treffen wir weiter die Annahme, dass nur ein Spieler in Zeitnot ist.

Die Zeitnotphase beginnt, wenn ein Spieler weniger als 5 Minuten Restbedenkzeit auf der Uhr hat und der 40ste Zug noch nicht erreicht ist. (Der 40. Zug ist in unserem Beispiel der Zeitpunkt der ersten Zeitkontrolle und daher maßgebend.)

Gemäß Artikel 8.4 der FIDE Schachregeln heißt das für den Spieler, dass er von nun an bis zur Beendigung des 40. Zug seine Züge nicht mehr mitschreiben muss.

Ein Zug gilt als beendet, wenn a) die Figur gesetzt wurde und b) die Uhr gedrückt wurde.

Dieses ist in Artikel 6.7a klar und eindeutig geregelt.

Nun schwirren alle möglichen Gerüchte in der Welt herum, ob ich den Zug ankreuzen muss, einen Strich machen muss, etc.

Dazu eine klare Aussage: Ich kann den Zug auf dem Notationsblatt markieren, es hilft, um die Zahl der Züge nach zuhalten, aber es ist kein muss.

Wichtig: Der Gegner muss weiter mitschreiben, und zwar immer, bevor er seinen nächsten Zug ausführt. Dieses gilt, bis er ebenfalls in Zeitnot kommt.

(Was dann passiert folgt weiter unten.)

Sobald die Zeitkontrolle erfolgreich passiert wurde, muss der Spieler, der in Zeitnot war, die Notation in seiner neuen Bedenkzeit vervollständigen, und zwar vor der Ausführung seines nächsten Zuges.

Also eigentlich ganz einfach:

  • Nicht mehr mitschreiben.
  • Die Züge nachtragen, wenn die Zeitkontrolle geschafft ist und somit die Zeitnotphase überstanden ist.

Ein Schiedsrichter kann, muss aber nicht hinzugezogen werden.

Und bitte, in dieser Situation nicht unnötig die Uhren anhalten, z.B. um den Schiedsrichter zu holen, nur weil einer Zeitnot hat. Ein Schiedsrichter wird nur dann benötigt, wenn z.B. eine Reklamation wegen eines ungültigen Zuges oder auf Stellungswiederholung erfolgt.

Was aber passiert, wenn beide in Zeitnot geraten?

Hier stellt sich die Situation im Grunde genauso dar, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied.

Wenn kein Spieler mehr mitschreiben muss, soll, wenn möglich, der Schiedsrichter oder ein Assistent anwesend sein und mitschreiben.

Dieses ist bei unseren Mannschaftskämpfen selten der Fall, diejenigen von uns, die ab und an auf Turnieren mitspielen, kennen das aber.

Für uns heißt dass, wenn wir absehen können, dass beide Spieler in Zeitnot geraten, dann lasst einen Schiedsrichter, den Mannschaftsführer oder jemanden holen, der die Züge mitschreiben kann.

Haltet auf gar keinen Fall deshalb die Uhren an.

Wenn dann das erste Plättchen gefallen ist, hält der Schiedsrichter (Assistent, Mannschaftsführer) beide Uhren an und überprüft die Einhaltung der 40 Züge. Die Spieler tragen jeweils ihre Notation nach.

Danach werden die Uhren wieder in Gang gesetzt (sofern kein „Aus“ erfolgte).

Das heißt:

  • Schiedsrichter oder Mannschaftsführer holen.
  • Nicht mehr mitschreiben.
  • Nach Beendigung der Zeitnotphase eines der Spieler hält der Schiedsrichter (und nur dieser) die Uhren an, die Züge werden nachgetragen und die Uhr danach wieder vom Schiedsrichter in Gang gesetzt.

Ich hoffe ich konnte ein wenig Licht ins Dunkel über einer der spektakulärsten Phasen im Schachspiel bringen und möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Heiko Bräunig bedanken, der diesen Text netterweise mit seinem als Schiedsrichter geübtem Auge quer gelesen und mir ein paar wertvolle Tipps gegeben hat.

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