Mehr Glück als Verstand (und das im Schach!)

Bericht von Thorsten Brandt:

Es ist Sommerzeit, die Ferien stehen vor der Tür und die Mannschaftwettbewerbe sind abgeschlossen. Es ist aber auch die Zeit in der traditionell viele Open stattfinden. Nach meinem ersten Open in Porz 1993 und meinem zweiten Versuch ebenfalls in Porz 1994 habe ich mir für dieses Jahr vorgenommen diese Form des Tunierschachs für mich (wieder) zuentdecken.

Am vergangenen Wochenende (Freitagabend, Sa. und So.) habe ich also in Königswinter den "KMS Leasing Amateurschach Grand Prix 2013" mitgespielt. Das Tunier fand fünfrundig, eingeteilt in drei Spielstärkegruppen statt. In der A-Gruppe waren Spieler mit DWZ 1800-2400 zugelassen.

Bei nur fünf Runden mit insgesamt 33 Teilnehmern kann man sich keinen Ausrutscher leisten. Was aber das Pech der Favoriten ist, kann für einen krassen Außenseiter (wie mich) mit hinreichend viel Glück in den entscheidenden Partien der entscheidende Faktor sein. Der Reihe nach:

1.Runde (Freitag)
Erikstad,Olav (Elo 1824) - Brandt,Thorsten 0 - 1

In der Eröffnung habe ich einen Bauern für Initiative gegeben. In der Folge habe ich dann etwa 30 Züge lang mit Minusbauern gespielt. Objektiv war meine Stellung wahrscheinlich die meiste Zeit schlechter. Im Endspiel kippte die Partie aber recht schnell zu meinen Gunsten. Alles in allem ging der Punkt in Ordnung.

2. Runde (Samstag)
Brandt,Thorsten - Weiler,Wolfgang (DWZ 2064) ½ - ½

Hier stand ich nach der Eröffnung mit Weiß schlecht und in der Folge absolut auf Verlust.

Hier hatte ich das erste Mal wahnsinniges Glück, dass mein Gegner den wohl einzigen Gewinnweg wählte, der keiner war. Die Partie mündete in einem schwierigen Läuferendspiel. Mein isolierter d-Bauer ging verloren und Schwarz hatte einen Freibauern auf der h-Linie, der meinen König festhielt. Nach 74 Zügen einigten wir uns aber auf Remis, da die Stellung für Schwarz nachdem alle Bauern abgetauscht waren, definitiv nicht mehr zu gewinnen war. Verständlicherweise wolte mein Gegner, dessen Spitzen-DWZ schon mal bei 2280 lag, sich das aber auch zeigen lassen.

3. Runde (Samstag)
van der Valk,Niklas (DWZ 2045) - Brandt,Thorsten ½ - ½

Hier hatten wir nach der Eröffnung eine unklare Stellung, die positionell besser für Weiß war, aber Schwarz hinreichend viel Kompensation durch aktives Figurenspiel bot. Da die Bedenkzeit meines Gegners (Jahrgang 1992) am Ende noch knapper war als meine, hatte ich zwischendurch sogar eine Gewinnstellung. Den Gewinnweg habe ich aber ausgelassen und so ging die Partie bei ungleichfarbigen Läufern im Endspiel mit einem schwarzen Mehrbauern am Ende gerechterweise Remis aus.

4. Runde (Sonntag)
Brandt,Thorsten - Schulz,Lukas (DWZ 2072) 1 - 0

Meine Gegner werden immer jünger. Lukas Schulz (Jahrgang 1997) aus Bayern ist gerade 16 Jahre alt und hat allein im jahr 2013 einen DWZ Zuwachs von 200 Punkten zu verbuchen! Zwei Runden zuvor hat er bereits den FM Reiner Heimrath geschlagen. Chancen habe ich mir also keine ausgerechnet. Mit Weiß wollte ich einen ruhigen Aufbau wählen. Lukas spielte aber extrem aggressiv und überzog bereits in der Eröffnung. Daraufhin konnte ich taktisch kontern und in ein gewonnenes Endspiel mit Mehrbauern, besserer Bauernstruktur und aktiveren Türmen abwicken. Alles in allem überraschend, aber die glatteste Partie von allen.

5. Runde (Sonntag)
Müller-Boge,Michael (DWZ 2016) - Brandt,Thorsten 0 - 1

In der letzen Runde lag ich also völlig überraschend mit drei Punkten aus vier Partein ohne Verluspartie Dank der besten Buchholzwertung auf Platz drei. Mein Gegner aus Runde zwei (Wolfgang Weiler)) und Nikolas Pogan vom SK Schwäbisch-Hall, der das Tunier am Ende gewann hatten beide 3,5 Punkte aus vier Partien und spielten am Spitzenbrett. An Brett zwei spielte mein Gegener der dritten Runde (Niklas van der Valk) gegen FM Jens Hirneise (u.a. zweimaliger württembergischer Meister), die ebenfalls beide drei Punkte aus vier Partien hatten. Ich spielte an  Brett drei (das dritte Mal mit Schwarz) gegen Herrn Müller-Boge vom Godesberger SK, der auch drei Punkte aus vier Partien hatte. Der Ausgang des Tuniers war also völlig offen und es musste an allen drei Spitzenbrettern auf Sieg gespielt werden!

Die Eröffnung ist aus meiner Sciht gut verlaufen und ich fühlte mich in dem entstandenen Stellungstyp recht wohl. Weiß hat aber sehr umsichtig agiert und schließlich habe ich die Stellung grundlos und ungeduldig überrissen. Danach stand ich ganz klar auf Verlust. Aber in einem Gemisch aus Zeitnot, extremer Nervenanspannung und evtl. ersten Zeichen von Erschöpfung übersah mein Gegner das letzte schwarze Motiv in der Stellung und lief in einen völlig unnötigen Mattangriff. Hier wurde mir ein voller Punkt und nach einem Sieg für Nikolas Pogan an Brett 1 und einem Remis an Brett 2 der alleinige zweite Platz in dem Tunier geschenkt!

Das einzig Ärgerliche ist, dass durch einen politischen Streit des Tunierveranstalters ACO und der FIDE und damit indirekt auch dem DSB das Tunier wahrscheinlich nicht DWZ-ausgewertet werden wird. D.h. die Tunierleistung von etwas über 2250 wird wahrscheinlich nichts an meiner DWZ verändern...schade.

Link zu den Teilnehmern und Ergebnissen:

http://www.schachlinks.com/cgi-bin/admin/swiss_iframe.cgi?action=tab_auflistung&turnier_id=2329&session_key=hjma680fwid

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